13
Feb
2005

Gummibärchen...

Heute habe och folgende Mail bekommen und ich fand sie so lustig, dass ich sie gleich hier reinstellen musste :)...:

Peter Glaser: Das Gummibärchen

Ansätze zu einem tieferen Verständnis

Freilebende Gummibärchen gibt es nicht. Man kauft sie in Packungen an der Kinokasse. Dieser Kauf ist der Beginn einer fast erotischen und sehr ambivalenten Beziehung Gummibärchen - Mensch. Zuerst genießt man. Dieser Genuß umfaßt alle Sinne. Man wühlt in den Gummibärchen, man fühlt sie.
Gummibärchen haben eine Konsistenz wie weichgekochter Radiergummi. Die Tastempfindung geht auch ins Sexuelle.
Das bedeutet nicht unbedingt, daß das Verhältnis zum Gummibärchen ein geschlechtliches wäre, denn prinzipiell sind diese geschlechtsneutral. Nun sind Gummibärchen weder wabbelig noch zäh; sie stehen genau an der Grenze.
Auch das macht sie spannend. Gummibärchen sind auf eine aufreizende Art weich. Und da sie weich sind, kann man sie ziehen.
Ich mache das sehr gerne. Ich sitze in dunklen Kinos und ziehe meine Gummibärchen in die Länge, ganz langsam. Man will sie nicht kaputtmachen, und dann siegt doch die Neugier, wieviel Zug so ein Bärchen aushält.
(Vorstellbar sind u. a. Gummibärchen-Expander für Kinder und Genesende.)
Forscherdrang und gleichzeitig das Böse im Menschen erreichen einen Höhepunkt, wenn sich die Mitte des gezerrten Bärchens durch Millionen von Mikrorissen weiß färbt und gleich darauf das zweigeteilte Stück auf die Finger zurückschnappt. Man hat Macht über das hilflose Gummibärchen. Und wie man damit umgeht: Mensch, erkenne dich selbst! Jetzt ist es so, daß Gummibärchen ja nicht gleich Gummibärchen ist. Ich bevorzuge das herkömmliche Gummibärchen, künstlich gefärbt und aromatisiert. Mag sein, daß
es eine Sentimentalität ist. Jedenfalls halte ich nichts von neuartigen Alternativ-Gummibärchen ohne Farbstoff ("Mütter! Mit viel Vitamin C"). Und auch unter den Konventionellen tummeln sich schwarze Schafe resp. Bärchen:
die schwarzen Lakritz-Dinger. Wenn ich mit Xao im Kino bin, rede ich ihm so lange ein, daß das die besten sind, bis er sie alle ißt. Sie schmecken scheußlich und fühlen sich scheußlich an. Dagegen das schöne, gewöhnliche Gummibärchen: allein wie es im Kino neonhaft illuminiert vom Leinwandleuchten, aber ganz ohne die Kühle der Reklameröhren!
Die nächste prickelnde Unternehmung ist das Kauen des Gummibärchens. Es ist ein Katz- und Maus-Spiel. Man könnte zubeißen, läßt aber die Spannung noch
steigen. Man quetscht das nasse Gummibärchen zwischen Zunge und Gaumen und glibscht es durch den Mund. Nach einiger Zeit beiße ich zu, oft bei nervigen Filmszenen. Es ist eine animalische Lust dabei. Was das Schmecken angeht, wirken Gummibärchen in ihrer massiven Fruchtigkeit sehr dominierend.
Zigaretten auf Gummibärchen schmecken nicht gut.
Eine meiner Lieblingsphantasien, wo es um Gummibärchen geht, ist der Gummibär. Ich will einen riesigen Gummibären. Jeder wahre Gummibärchen-Fan wird mich verstehen. Ebenfalls phantasieanregend können sie eingesetzt werden zum Aufbau verschiedener Orgien Gruppen-Modelle oder als Demonstrationsobjekt für wirbellose Tiere. Abgesehen von dem diabolischen Lustgewinn müßte man die Bärchen gar nicht zerreißen. Sie sind ja durchscheinend. Zu behaupten, daß sich im Gummibärchen das Wesen der Dinge offenbare, finde ich keinesfalls gewagt. Wer schon einmal über einem roten Gummibärchen meditiert hat, weiß von diesen Einsichten.
Wenn ich das Kino verlasse oder einfach die Packung leergegessen ist, habe ich meist ein Gefühl, als hätte mir einer in den Magen getreten. Hier schlägt die gesteigerte Intensität als deren Ursache den Gummibärchen durchaus der Charakter einer Droge zuerkannt werden kann - ins Negative um, in den Überdruß. In dichter und geraffter Form spiegelt sich im Verhältnis zum Gummibärchen eine menschliche Love-Affair wider. Nie wieder ein Gummibärchen, denke ich jedesmal. In der Zwischenzeit lächle ich dann über
diesen Absolutheitsanspruch, den diese Momente erheben. Schon zu Hause beunruhigen mich wieder Gerüchte über einen Marktvorstoß der Japaner mit Gummireis oder Gummischweinchen. Und wieder und wieder geht es mir durch den Kopf: Gummibärchen sind geil.

Aus: Glasers heile Welt. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1988, S. 13-15.
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